Preisgekrönte Formate: So macht WarnerMedia Serien wie „Para – Wir sind King” zum Erfolg

Von Kathrin Hollmer

Ohne sie wäre die deutsche Serienlandschaft um einige erfolgreiche Formate ärmer: Anke Greifeneder und Hannes Heyelmann © Daniel Delang

Beim Deutschen Fernsehpreis wird die Serie „Para – Wir sind King” gleich doppelt ausgezeichnet – als beste Drama-Serie und für die beste Regie im Fiction-Bereich. Hinter der preisgekrönten Show steckt der Pay-TV-Sender TNT Deutschland mit Sitz in München, der zu WarnerMedia gehört. Im Interview verraten Anke Greifeneder, Vice President Original Productions, und Hannes Heyelmann, Head of Programming EMEA, wie sie Themen auswählen und sie in Erfolgsformate verwandeln.

Frau Greifeneder, Herr Heyelmann, Sie haben mit „Add a Friend“ 2012 die erste Eigenproduktion eines Pay-TV-Senders in Deutschland produziert. Für Ihre vielfach ausgezeichneten Serien, wie aktuell „Para - Wir sind King”, erfinden Sie sich immer wieder neu. Woher nehmen Sie Ihren Mut?

Anke Greifeneder: Ich finde nichts schlimmer, als mich zu langweilen, und als Pay-TV-Sender haben wir eine gewisse Freiheit. Anders als Sender im Free-TV ist für uns nicht nur der reine Marktanteil wichtig – und wenn wir diese Freiheit nicht nutzen, sind wir selbst schuld. Dennoch wollen wir natürlich Serien produzieren, die möglichst viele Fans finden.

Hannes Heyelmann: Im Pay-TV und Streaming muss nicht immer jede Zielgruppe gleichzeitig bedient werden. Im Moment haben wir etwa zwei Eigenproduktionen im Jahr. Gerade jetzt, wo so viele Serien produziert werden, müssen wir damit herausstechen. Eine durchschnittliche Serie lohnt sich für uns nicht. Wir warten lieber, bis wir das Richtige gefunden haben, und wir trauen uns, das ist Teil der Firmenkultur. Wir hatten immer den Ansatz, lieber das Risiko des Neuen einzugehen als am Bewährten festzuhalten.

 

Ist das Serienmachen härter oder leichter geworden, seitdem in Deutschland so viele hochwertige Serien produziert werden?

Heyelmann: Sowohl als auch. Die Vorschuss-Aufmerksamkeit, die wir damals zum Beispiel von der Presse bekommen haben, weil wir die Ersten waren, gibt es nicht mehr. Dafür hatten wir am Anfang Mühe, gute Stoffe zu finden. Im Moment haben wir eher zu viele, sodass die Auswahl wirklich schwer ist.

Greifeneder: Das hat sich durch Corona sogar noch verstärkt. Vor allem während des ersten Lockdowns haben viele Produktionsfirmen die Zeit genutzt und neue Stoffe entwickelt. Ich hatte noch nie so viel zu lesen auf dem Tisch.

© Daniel Delang

Wann überzeugt Sie ein Serienkonzept?

Greifeneder: Wenn die Geschichte gut ist und die Charaktere mich berühren. Ob Horror, Science-Fiction oder Krankenhaus-Serie und ob die Idee von hochdekorierten Autor:innen stammt oder nicht, ist da egal. Manche Themen liegen in der Luft, weil sie dem Zeitgeist entsprechen. Bei „Andere Eltern“ war das der Fall, einer Mockumentary über eine Gruppe von Eltern, die eine Kita gründen. Es kommt vor, dass drei Produktionsfirmen gleichzeitig ein Thema bei uns pitchen. Wenn man so einen Trend absehen kann, muss man das Thema entweder als Erstes besetzen oder ungewöhnlich umsetzen. Unser Ansatz ist, dass wir breite Themen spitz und spitze Themen breit erzählen.

So wie in Ihrer jüngsten Serie, „The Mopes” (Warner TV Company)? Darin geht es um psychische Erkrankungen, aber anders, als man es aus Serien kennt.

Greifeneder: Wir wollten psychischen Erkrankungen ein Gesicht geben, sie greifbarer machen. Deshalb spielt „The Mopes”-Hauptdarstellerin Nora Tschirner eine personifizierte mittelgradige Depression.

Comedy muss gar nichts, darf aber alles.“

„The Mopes“ ist eine Dramedy-Serie, eine Mischung aus Drama und Comedy. Was muss gute Comedy heute können?

Greifeneder: Sie muss gar nichts, darf aber alles. Humor ist so mannigfaltig wie die Menschheit. Ich kann auch über „Die nackte Kanone“ lachen. Da weiß ich, was ich bekomme, nämlich fünf Gags pro Minute: Es geht nicht um die Weiterentwicklung der Figur, sondern um Situationskomik. Wir sehen uns in der Tradition des Storytellings, wo Humor durch die Figuren entsteht. Damit hat man die Chance, mehr Nuancen zu zeigen.

 

„The Mopes“ besteht – bisher – aus einer Staffel. Wie entscheiden Sie, ob eine Serie verlängert wird?

Heyelmann: Wir müssen das Gefühl haben, dass die nächste Staffel mindestens so gut wie die vorhergehende ist, und natürlich muss die aktuelle Staffel erfolgreich sein.

Greifeneder: Grundsätzlich erzählen wir so, dass eine Staffel in sich abgeschlossen ist. Das hat den Vorteil, dass man nicht mit angezogener Handbremse fährt und Sachen für die nächste Staffel zurückhält. Wir melken keine erfolgreichen Projekte bis zum Ende, obwohl wir das manchmal gut machen könnten.

Heyelmann: Bei „4 Blocks“ etwa.

Greifeneder: Die Fans hätten sich sehr gefreut. Aber uns war es wichtig, nach drei Staffeln einen anderen Blickwinkel zu zeigen, und das haben wir mit „Para – Wir sind King“ gemacht. „4 Blocks“ war sehr männerlastig, „Para“ portraitiert vier junge Frauen aus dem Wedding, die mit Geldsorgen und teilweise begrenzten Bildungschancen aufgewachsen sind und versuchen, sich ein besseres Leben zu erarbeiten.

© Daniel Delang

Wie messen Sie Erfolg?

Heyelmann: Neben den reinen Marktanteilen und Abrufzahlen schauen wir auf die Aufmerksamkeit, die eine Serie generiert, die Zufriedenheit unserer Plattformpartner wie Sky, Vodafone und Telekom, auf die Presseresonanz und Auszeichnungen – und zunehmend, ob ein Stoff auch international funktioniert. Unsere Serien „4 Blocks“, „Arthurs Gesetz“ und „Andere Eltern“ sind bei HBO Max in Europa, wo der Service bald in Spanien und den Nordics startet, sowie in den USA zu sehen. „Para – Wir sind King“ und „The Mopes“ werden demnächst ebenfalls dort sowie in Lateinamerika verfügbar sein.

Wie ist die internationale Resonanz bisher?

Heyelmann: Wir veröffentlichen grundsätzlich keine Zahlen, aber wir sind sehr zufrieden.

Welche neuen Projekte stehen in nächster Zeit an?

Greifeneder: Fertig gedreht haben wir „Almost Fly“ und „Oh Hell“. „Almost Fly“ ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die zu den Anfängen des deutschen Hip-Hops in den Neunzigern zurückführt, „Oh Hell“ eine Dramedy und Co-Produktion mit der Telekom, die zuerst bei Magenta TV ausgestrahlt wird. Darin geht es um die fantasiebegabte Helene, genannt „Hell“, die sich von einer zwischenmenschlichen Katastrophe zur nächsten hangelt. Außerdem haben wir gerade eine zweite Staffel von „Para – Wir sind King“ in Auftrag gegeben.

© Daniel Delang

Ab 25. September heißen Ihre Pay-TV-Sender anders. Aus TNT Serie, TNT Film und TNT Comedy werden Warner TV Serie, Warner TV Film und Warner TV Comedy. Was ändert sich damit?

Heyelmann: Innerhalb der Pay-TV-Haushalte haben wir für die TNT-Sender eine große Bekanntheit aufgebaut, außerhalb ist Warner die bekanntere Marke, das wollen wir in Zukunft nutzen. Früher gab es drei Bereiche unter Time Warner – HBO, Turner und Warner Bros. Heute sind wir eine Firma, WarnerMedia, das drücken die neuen Namen aus. Am Team und den Produktionen ändert sich nichts.

„Der Start von HBO Max in Europa eröffnet uns die Chance, mehr Eigenproduktionen zu machen.“

Langfristig bringt WarnerMedia den Streamingdienst HBO Max auch nach Deutschland. Was können Sie dazu sagen?

Heyelmann: HBO Max ist gerade in Lateinamerika gestartet und wird ab 26. Oktober 2021 auch in einigen europäischen Ländern verfügbar sein, in denen wir bereits eine HBO-Präsenz haben, zunächst in Spanien und den Nordics. Unser Ziel ist es, HBO Max zu einer globalen Marke zu machen, aber im Moment haben wir in vielen Regionen bestehende Geschäftsbeziehungen, wie zum Beispiel die langjährige Partnerschaft zu Sky in einer Reihe von bedeutenden Regionen, einschließlich Deutschland. Sie sind ein großartiger Partner und sehr wichtig für uns.  

Allgemein kann ich sagen, dass der Start von HBO Max in Europa uns die Chance eröffnet, mehr Eigenproduktionen zu machen. HBO Max ist ein sehr attraktives Angebot, mit HBO- und HBO-Max-Originals, den Warner-Bros.-Filmen und -serien und weiteren Akquisitionen.

Greifeneder: Ich werde deutsche Produktionen betreuen, die bei HBO Max verfügbar sein werden, das können wir schon sagen. Für mich ist das eine große Ehre. HBO-Serien wie „Sex and the City“, „The Sopranos“, „Game of Thrones“ oder aktuell „Mare of Easttown“ sind ein Grund, warum ich zum Fernsehen gegangen bin. Es wird eine spannende Reise.

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