Julia Laurion: „Innovation und Null-Fehler-Kultur geht nicht zusammen“

Von Julia Hägele

Julia Laurion verantwortet Leadership Development bei Sky.

Beim Medienkonzern Sky kümmert sich Julia Laurion um die Entwicklung einer modernen Führung. Im Interview klärt sie, welcher Führungsstil überkommen ist, wie man es besser macht und was in der Initiative Sky Labs passiert.

Frau Laurion, wie würden Sie eine gute, zeitgemäße Führung beschreiben?

Julia Laurion: Eine zeitgemäße Führung zielt schon lange nicht mehr auf eine Kontrolle der Arbeitnehmer:innen ab. Früher hat der Chef eine Ansage gemacht, die nicht hinterfragt werden durfte. Das gilt heute als antiquiert. Gutes Führungsverhalten sollte vielmehr auf Vertrauen basieren und Mitarbeiter:innen befähigen, die gesetzten Ziele zu erreichen. Unsere Erfahrung zeigt, dass ein Team auch ohne reine Präsenzkultur hervorragend zusammenarbeiten kann.

Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Führungskultur?

Laurion: Ich glaube, dass unsere Pandemie-Situation ein Katalysator für dieses Führungsverständnis sein kann und alte, verkrustete Führung aufbrechen kann. Das Homeoffice lässt sich zum einen sowieso nicht klassisch kontrollieren, zum anderen sehen wir unsere Kolleg:innen nicht mehr nur in ihrer Rolle, sondern als Menschen, die vielleicht Kinder im Hintergrund herumspringen haben. Für Sky steht fest: Hybrides Arbeiten ist das Zukunftsmodell, das das Beste beider Welten vereint.

In Ihrer E-Mail-Signatur heißt es sinngemäß: „Viele Leute arbeiten flexibel. Falls Sie diese Nachricht außerhalb der Kernarbeitszeit erreicht, bitte denken Sie nicht, dass Sie sofort antworten müssen“ – machen solche Kleinigkeiten einen Unterschied?

Laurion: Ich denke schon. Viele unserer Führungskräfte haben das in ihrer Signatur. Während Corona hat Sky sehr stark darauf geachtet, dass es den Mitarbeiter:innen gut geht. Homeschooling, Kindererziehung und Arbeit sind schwer unter einen Hut zu bringen. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Frage, wie es den Leuten mit ihrer Arbeit gut geht, auch über die Pandemie hinaus. Kleine Maßnahmen wie eine nette Mailsignatur können da ein Signal sein. Oder ein anderes Beispiel: Die Länge unserer Standardtermine sind nicht mehr 30 und 60 Minuten, sondern 25 und 50 Minuten – um bei Meeting-Marathons kurze Pause zum Durchatmen zu garantieren.

„Früher – und auch heute noch – verteidigen Führungskräfte ihre kleinen Fürstentümer, auch innerhalb von Unternehmen. So etwas blockiert den Gesamterfolg.“

Welche Qualifikationen müssen moderne Führungskräfte mitbringen?

Laurion: Führungskräfte bewegen sich immer stärker hin zum Coach, Entwickler, Feedback-Geber. Sie sind natürlich Expert:innen auf ihrem Gebiet, aber das Rollenprofil umfasst heute mehr denn je auch die „Soft Skills“: Zuhören, Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen, vertrauen, Handlungsspielraum lassen. Eine gute Führungskraft muss an ihre Mitarbeiter:innen glauben. Früher – und auch heute noch – verteidigen Führungskräfte ihre kleinen Fürstentümer, auch innerhalb von Unternehmen. So etwas blockiert den Gesamterfolg. Wir müssen weg vom Silodenken hin zu echter Kollaboration.

Arbeitskultur lässt sich aber nicht von heute auf morgen verändern, wo fängt man am besten an?

Laurion: Erst einmal ist es wichtig, dass Unternehmen verstehen, dass sie sich ganz bewusst um ihre Arbeitskultur kümmern müssen. Denn von alleine beginnt kein Wandel. Es heißt immer „Selbstführung vor Führung“: Führungskräfte können lernen, einen guten Umgang mit sich selbst zu finden. So kann sich eine Grundsicherheit und auch eine Entspanntheit aufbauen. Das ist wichtig, um anderen vertrauen zu können und auch Fehler zu erlauben. Bei Sky haben wir ein verpflichtendes Trainingsprogramm für Führungskräfte, die neu in ihre Rolle starten.

Wie wirkt sich eine zeitgemäße Führung auf das Innovationspotenzial eines Unternehmens aus?

Laurion: Innovationspotenzial und eine gute Führung gehören fest zusammen. Die kontrollbasierte Führung hat Innovation de facto verboten, weil man ja nichts hinterfragen und neu gestalten durfte. Null-Fehler-Kultur – sich daran zu orientieren, war vor allem in Produktionsunternehmen, auch aus Sicherheitsgründen, üblich. Wer aber versucht, in einer Null-Fehler-Kultur Innovationen voranzutreiben, wird scheitern. Wer offen führt, potenziert das Innovationspotenzial durch all die Mitarbeiter:innen, die sich fortan trauen, sich einzubringen. Als Chefin oder Chef kann ich einen Rahmen schaffen, wie etwa Zeit und Methoden bereit zu stellen, um Raum für Innovation zu schaffen. Deutschland ist für seine Qualität bekannt und diese Qualität hat nach einer Null-Fehler-Kultur verlangt. Sich davon zu lösen, ist nicht einfach, aber notwendig, um am Ball zu bleiben.

„In unserer Initiative Sky Labs experimentieren wir in einem hierarchiefreien Raum.“

Geben Sie uns ein Beispiel?

Laurion: Wir haben eine Initiative namens Sky Labs. Das ist wie ein Labor zu verstehen, in dem grundsätzlich jedes Thema Platz hat. Wir achten darauf, dass jedes Projekt so divers wie möglich aufgestellt ist, und zwar auf allen Ebenen: Hierarchien, Expertisen, Geschlechter, alles. In diesem Rahmen – das geht meistens über ein paar Monate – lebt man einen hierarchiefreien Raum. Mit dabei sind auch Kund:innen oder externe Expert:innen. In diesem Zeitraum sind die Mitarbeiter:innen größtenteils von ihren normalen Aufgaben entbunden. So kann neu und barrierefrei gedacht werden. Entweder die Führungskraft ist nicht dabei, oder sie ist dabei, aber nicht in ihrer Führungsrolle. Die Kolleg:innen arbeiten mit verschiedenen agilen Methoden, wie zum Beispiel dem Double Diamond Approach. Das freie und interdisziplinäre Denken wird immer wichtiger. Objekt des Nachdenkens kann alles sein: ein Produkt genauso wie ein Prozess.

Der Streaming-Markt verändert sich rasant – wie bleiben Teams wendig genug, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können?

Laurion: Neben zeitgemäßer Führung ist das Thema Lernen zentral. Um flexibel im Kopf zu bleiben, müssen Mitarbeiter:innen offen dafür sein, Neues zu lernen.

Worin besteht aus Ihrer Sicht eine große Aufgabe für Sky?

Laurion: Aus meiner Rolle heraus würde ich sagen: das Zusammenwachsen als Gruppe. Wir waren Premiere und damit komplett deutsch. Wir sind nun ein europäisches Unternehmen mit Hauptsitz in UK. Eine gemeinsame Führungskultur zu entwickeln über die verschiedenen Landeskulturen von etwa UK, Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien ist besonders spannend. Ein gemeinsames Führungsleitbild hilft uns dabei. Es wird als Grundlage für Trainings und auch in Performancegesprächen benutzt.

Sie arbeiten also über Landesgrenzen hinweg – gibt es trotzdem etwas, das Sie am Medienstandort Bayern schätzen?

Laurion: Abgesehen von der vielfältigen Medienlandschaft ist Bayern ein toller Platz für Sportbegeisterte – und die brauchen wir bei Sky natürlich immer.

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