Green Consultant Tobias Wolf: So gelingt Nachhaltigkeit im Film

Von Michael Neißendorfer
Tobias Wolf, Sustainability Manager bei Bavaria Fiction

Tobias Wolf ist Green Consultant bei Bavaria Fiction / Fotos: Bavaria Fiction

Er kümmert sich darum, dass Film- und TV-Produktionen nachhaltiger werden: Tobias Wolf ist Sustainability Manager und Green Consultant der Bavaria Fiction, einer Tochtergesellschaft von Bavaria Film und ZDF Enterprises. Im Interview erzählt er, welche Maßnahmen für weniger CO2 am Set umgesetzt werden, wo grünes Produzieren noch schwer fällt und warum mehr Nachhaltigkeit nicht automatisch mit höheren Kosten verbunden ist.

Herr Wolf, mit welchen Maßnahmen hat Bavaria Film damit begonnen, nachhaltiger zu werden?

Tobias Wolf: Nachhaltigkeit ist schon lange ein großes Thema in der Bavaria Film Gruppe. Die Energieversorgung am 30 Hektar großen Medienstandort Geiselgasteig ist seit 2013 vollständig klimaneutral. Geiselgasteig bezieht komplett Ökostrom und heizt mit Geothermie. Auch unser eigenes Blockheizkraftwerk wird mit klimaneutralem Ökogas betrieben und verursacht keine Emissionen. Durch diese Umstellung auf regenerative Energie ist der CO2-Fußabdruck des Standortes seit 2011 um 98,5 Prozent gesunken. Die unvermeidbaren übrigen 1,5 Prozentpunkte werden durch Investitionen in Waldschutzprojekte – unter anderem in Brasilien, aber auch in Bayern – ausgeglichen. Hier arbeitet Bavaria Film eng mit ClimatePartner zusammen.

Wie setzen Sie Nachhaltigkeit am Set um?

Wolf: Damit die Dreharbeiten selbst nachhaltiger werden, hat die Bavaria Fiction mit zehn Produktionen an der Initiative ‚100 Grüne Produktionen‘ seit 2020/21 teilgenommen. Wir sind zudem im Arbeitskreis ‚Green Shooting‘ aktiv. Außerdem nehmen wir seit Sommer 2021 an der wissenschaftlichen Auswertung für Grüne Produktionen des Reallabors der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien teil.

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Green Consultant: Beratung und Umsetzung der Mindeststandards

 

Wie kam die Einführung von Nachhaltigkeits-Maßnahmen bei den Filmschaffenden an?

Wolf: Generell sind unsere Filmschaffenden sehr aufgeschlossen und engagiert, nachhaltige Maßnahmen umzusetzen. Schon bevor es die Mindeststandards gab, haben beispielsweise unsere langlaufenden Serienproduktionen „SOKO Stuttgart“, „Die Rosenheim Cops” und „Sturm der Liebe” auf Nachhaltigkeit geachtet. In der Maske etwa haben viele bereits vegane Produkte verwendet, um Tierversuche und Mikroplastik zu vermeiden. Szenenbild und Kostüm bedienen sich schon seit Jahrzehnten aus dem Fundus und leihen Möbel, Dekoration, Requisiten und Kleidung, statt sie neu zu kaufen. Und auch viele Catering-Unternehmen hatten bereits von sich aus stärker auf regionale, saisonale und biologische Produkte gesetzt. Meine Aufgabe als Green Consultant und Sustainability Manager ist es, die Produktionen bestmöglich zu beraten und sie bei der Umsetzung der Mindeststandards zu unterstützen.

In welchen Bereichen einer Film- und TV-Produktion kann man mit einfachen Maßnahmen schnell für CO2-Einsparungen sorgen?

Wolf: Transport und Mobilität ist einer der CO2-intensivsten Bereiche in der TV- und Filmproduktion, aber auch einer, bei dem wir schnell und ohne das Rad neu erfinden zu müssen Verbesserungen erreichen können: Teammitglieder reisen nun bevorzugt mit der Bahn statt mit dem Flugzeug an, fahren mit Erdgas-, E- oder Hybrid-Fahrzeugen, oder wo es passt auch mit Fahrrädern und dem ÖPNV. Auch Übernachtungen in Hotels haben einen großen CO2-Fußabdruck. Den verringern wir, indem wir Teams bevorzugt in Appartements oder Öko-Hotels unterbringen. Ein weiterer Quick-Win, der unmittelbar zu CO2-Einsparungen führte, war die Einführung eines Veggie-Days im Catering.

Tobias Wolf, Sustainability Manager bei Bavaria Fiction

© Bavaria Fiction

Transport und Mobilität als größte Klimabaustellen

 

Wie sieht es beim Stromverbrauch aus?

Wolf: Eine Sache, die viele Außenstehende als besonders ‚schmutzig‘ empfinden, sind die großen Dieselgeneratoren für die Stromproduktion bei Außendrehs, auch aufgrund ihrer Lärmemissionen. Aber auch das gehört mehr und mehr der Vergangenheit an. Wo es geht, nutzen wir nun die vorhandene Strom-Infrastruktur. In Stadtgebieten ist das deutlich leichter zu bewerkstelligen als bei entlegeneren Motiven; hier brauchen wir weiterhin Generatoren. Diese sind aber mittlerweile deutlich innovativer und nachhaltiger als der brummende Dieselgenerator. Zum Beispiel gibt es besonders effiziente und CO2-arme Gasgeneratoren und hybride Akkusysteme, die Dieselgeneratoren ersetzen. Hinzu kommt, dass die großen Verbraucher, wie etwa das Licht-Department, verstärkt Energie einsparen, wodurch der Generatoreneinsatz verringert oder vollständig vermieden werden kann. Durch die Umstellung auf LED etwa sinken der Strombedarf und somit auch die CO2-Emissionen deutlich.

Wo fällt es noch schwer, CO2 zu vermeiden?

Wolf: Im Bereich Transport und Mobilität haben wir zwar schon viel erreicht, aber hier schränkt uns die Verfügbarkeit von klimafreundlichen Fahrzeugen ein, gerade bei Transportern und LKWs. Wir haben auf dem Bavaria Film-Gelände bereits 45 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge aufgebaut, die Infrastruktur ist also vorhanden und wächst kontinuierlich. Bei manchen Werkstoffen fehlen uns schlicht noch die Alternativen, bei Styropor etwa. Aber da probieren wir viel aus und suchen nach anderen Wegen – oftmals lassen sich in der Zusammenarbeit mit den Teams kreative Lösungen finden.

Nachhaltigkeit beim Film: Hier entsteht Mehraufwand

 

Verursacht nachhaltiges Produzieren auch einen Mehraufwand für die einzelnen Teams?

Wolf: Es liegt in der Natur der Sache, dass beim nachhaltigen Produzieren auch ein gewisser Mehraufwand entsteht. Schließlich werden in allen Bereichen der Produktion Abläufe hinterfragt und weiterentwickelt. Besonders wichtig ist aktuell das genaue Dokumentieren und Auswerten von Grünen Produktionen, um Umwelt-Hotspots zu identifizieren und Verbesserungspotenziale zu erkennen. Einen großen Teil davon federt der Green Consultant ab: Schon in der Pre-Production gibt er in Einzelgesprächen mit den jeweiligen Teams Hilfestellung und zeigt Lösungen auf, wo und wie sich CO2 vermeiden lässt. Auch die CO2-Bilanz und der Abschlussbericht liegen in seinem Aufgabengebiet. Generell sehe ich in meinem Arbeitsalltag, dass die Crewmitglieder viel Freude daran haben, bei Grünen Produktionen mitzuwirken. Viele handeln privat so nachhaltig wie möglich und empfinden es als positiv, wenn auch wir bei unserem Geschäft mehr auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz achten.

Was das Finanzielle betrifft: Entsteht auch hier ein Mehraufwand?

Wolf: Ja. Zwar lassen sich manche Maßnahmen, wie etwa der konsequente Umstieg auf Recyclingpapier, sehr kostengünstig realisieren und haben schnell einen positiven Effekt. Auch Einwegbatterien haben wir schon lange verbannt. In andere Maßnahmen muss man mehr investieren, beispielsweise bei der Fahrzeugflotte oder beim Lichtequipment – das kann sich auf lange Sicht teilweise amortisieren und sogar günstiger sein, zum Beispiel durch billigere Kraftstoffe und niedrigere Verbräuche. Gleichzeitig gibt es in vielen Bereichen, wie zum Beispiel bei Strom, Kulissenbau und Catering, erhebliche Mehrkosten. Hier ist ein Dialog mit den Auftraggebern bezüglich der Kostenaufteilung notwendig.

Kann man die bisher erreichten Erfolge auch in Zahlen ausdrücken?

Wolf: Aktuell sparen wir durch nachhaltige Maßnahmen je nach Produktion mehrere Dutzend Tonnen CO2 ein. Diesen Weg wollen wir kontinuierlich weitergehen und uns stetig verbessern. Und das wird uns auch gelingen, da bin ich mir 100 Prozent sicher – vor allem dank des Zusammenschlusses der Branche.

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