Durch nachhaltige Filmproduktion zu neuen Business-Modellen

Von Denis Heuring

Mülltrennung, verpackungsfreie Supermärkte oder grüne Energie – das Thema Umweltschutz ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Bei Filmsets sieht das oft noch anders aus. Doch auch hier spielen umweltbewusstes Drehen und faires Produzieren eine immer größere Rolle und bieten überraschende Möglichkeiten. In Bayern unterstützt dabei die Film Commission.

Wenn an 3.626 von 365 Tagen im Jahr gedreht wird, will das etwas heißen. Nicht, dass die Macher*innen dieser Statistik an Rechenschwäche leiden. Sondern, dass Bayern zu den beliebtesten Film-Schauplätzen Deutschlands gehört. In Bayern wird gedreht, täglich, mehrfach, tagein, tagaus. Die Filmteams profitieren von pittoresken Szenerien, die Drehorte vom positiven Imagetransfer – und dem Geld, das der Dreh vor Ort einspielt.

Bayerns Landschaften, Bauwerke, Parks und Räumlichkeiten prägen seit Jahrzehnten die Atmosphäre etlicher erfolgreicher Filme und Serien. Der Münchner Tatort, Hindafing, Sophie Scholl, die Eberhofer-Reihe oder Fuck Ju Göthe stehen exemplarisch für die zahlreichen Produktionen mit bayerischem Anstrich.

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Drehfreundliche Infrastruktur

Dass sich Bayern in den letzten Jahrzehnten zum Vorzeige-Filmstandort entwickelt hat, ist nicht zuletzt der Film Commission zu verdanken. Als erste Informations- und Anlaufstelle für nationale und internationale Produktionen räumt sie Wege frei und schafft den notwendigen Raum, damit sich die Ideen der Filmemacher*innen entfalten können.

Ein paar Beispiele: Wer auf öffentlichen Straßen, Wegen, Plätzen und in städtischen und staatlichen Gebäuden drehen möchte, filmt nicht einfach drauf los, sondern holt erst einmal eine Genehmigung ein. Wer eine Verfolgungsjagd mit Explosionen will, hantiert nicht eigenhändig mit Sprengstoff, sondern vertraut auf zertifizierte Pyro-Techniker*innen. Und wer eine Rettungs-Szene mit Helikopter plant, ist froh um praxiserprobte Pilot*innen, die gelassen mit den Launen der Regie umgehen.

In all diesen Fällen unterstützt die Film Commission. Sie hilft Produzent*innen sowohl bei der Kommunikation mit lokalen Betreibern oder der Auswahl geeigneter Motive als auch bei der Akquise von Projekten, der Bewerbung eines Standorts oder der vorausschauenden Drehplanung, vorbei an Baustellen und Straßenfesten.

Cameron und Spielberg drehen grün

Die Bandbreite der Aufgaben wurde bis vor kurzem von zwei Personen bewerkstelligt; seit Mitte 2019 unterstützt Kathrin Winter das Team der Film Commission Bayern.

Dass die Film Commission Verstärkung gut gebrauchen kann, liegt unter anderem daran, dass immer neue Aufgabenfelder hinzukommen. FFF Geschäftsführerin Dorothee Erpenstein: „Die Film Commission unterstützt Dreharbeiten, behandelt aber mittlerweile auch Themen wie Grünes Drehen, Faires Produzieren und Fachkräftemangel.“

Gerade im Bereich Green Filming herrscht Nachholbedarf. Während Hollywood-Regisseure wie James Cameron oder Steven Spielberg ihre Produktionen längst Green Screenings unterziehen und entsprechend nach grünen Richtlinien produzieren, agieren Kreative und Produzent*innen hierzulande immer noch zurückhaltend – auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen. Die komplette Eberhofer-Krimireihe der Constantin Film AG zum Beispiel ist grün gedreht. Und an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film bildet Grünes Drehen einen fixen Bestandteil des Curriculums.

Umweltbewusst Kosten sparen

Damit das Thema umweltbewusstes Filmemachen bei den Kreativen und Produzent*innen ankommt, setzt die Film Commission auf Wissensvermittlung – und den Abbau von Vorurteilen. Gemeinsam mit Philip Gassmann, Regisseur und Green Film & TV Experte, bietet die Film Commission Workshops und Seminare an, in denen Filmschaffende lernen, dass CO2-armes Drehen mehr als grüne Daumen macht.

Die große Nachfrage nach Seminarplätzen bestätige den Nachholbedarf ebenso wie den Wissensdurst in der Szene, so Gassmann. „In meinen Workshops merke ich immer wieder, dass viele Filmschaffende nicht wissen, welche Vorteile das grüne Drehen mit sich bringt – und mit welch einfachen Mitteln CO2-Emissionen und Produktionskosten reduziert werden können.“

Nachhaltiges Setdesign setzt umsichtiges Planen voraus – und fordert eine Antwort auf die Frage, wie die Investitionen langfristig von Wert sein können. Dass umweltfreundliche Materialien automatisch die teuersten sein müssen, lässt sich so auch nicht bestätigen.

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Grünes Drehen schafft neue Business-Modelle

„Idealerweise“, sagt Gassmann, „sollten die Filmschaffenden bereits bei der Konzeption des Filmstoffs an die CO2-Emissionen denken.“ Dass das Umweltbewusstsein keine künstlerische Einschränkung bedeute, zeige die Praxis. „Man kann umweltbewusst produzieren, ohne dass das Produkt leidet. Oft ist es sogar das Gegenteil. Heute fahren zum Beispiel einige Kollegen mit weniger Licht-Equipment los, schleppen weniger, sind schneller und machen dabei auch noch schönere Bilder.“

Aber bedeutet die Reduktion von Equipment und Deko auch eine Reduktion der Filmcrew? Anders formuliert: Stellt grünes Drehen die Berechtigung von Dienstleistern, Zulieferern und Caterern in Frage?

Gassmann verneint: „Ich weiß, dass das Thema heikel ist. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Gewerke anders und vor allen Dingen kreativer gefordert werden. Es geht um neue Technologien, neue Materialien, neue Workflows. Green-Tech ist sehr häufig High-Tech. Da entstehen teilweise ganz neue Berufsbilder und Produktionsmethoden. Gerade deshalb müssen alle an den runden Tisch: Kreative, Produzenten, Dienstleister, Regisseure, der FFF. Meiner Meinung nach eröffnet das grüne Drehen sogar viele neue Business-Modelle. Keiner muss Angst haben, dass er auf der Strecke bleibt. Im Gegenteil.“

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