DAZN: Wie Alex Schlüter die Gleise für den Erfolgszug legte

Von Martin Haase

Alex Schlüter weiß, worauf es beim Sport-Streaming ankommt. Foto: Dirk Bruniecki

Früher war es das „Netflix der Sportübertragungen“, heute steht der Name DAZN für sich. Das sechs Jahre junge Streamingportal verspricht, der Ort für „den besten Live-Fußball“ zu sein. Neben Live-Shows gibt es Dokumentationen und Magazine. Alexander Schlüter hat das Projekt von Anfang an mitgestaltet. Der Moderator und Kommentator erklärt, wie der DAZN-Zug auf die Gleise kam und welche Perspektiven er im Sportjournalismus sieht.

Als DAZN im Jahr 2016 in Deutschland Fuß fasste, fragten sich die meisten zuerst: „Wie spricht man das aus?“ Heute ist der Sport-Streaminganbieter mit deutschem Sitz in Ismaning bei München den meisten Sportfans ein Begriff. Das Unternehmen, das unter dem Namen Perform Group im August 2016 die Plattform gründete, heißt seit 2019 DAZN Group. Der Streaminganbieter macht dem Platzhirsch Sky die Position streitig. Insbesondere im Kampf um Übertragungslizenzen konnte sich DAZN bei einigen hochklassigen Fußball-Wettbewerben gegen die Konkurrenz durchsetzen und das Senderecht für sich gewinnen. Aber auch mit einem eigenen Stil grenzt sich der junge Streaminganbieter von der Konkurrenz ab.

Eine zentrale Figur: Alexander Schlüter, der schon vor der DAZN-Gründung in Deutschland für die ehemalige Perform Group-Tochter Opta Sports (gehört mittlerweile zu Stats Perform) arbeitete. Schlüter stieg 2016 ein und drückte dem Portal seinen Stempel auf. Erst mit dem Titel „Lead In Vision“, später als Chefmoderator und heute freiberuflich kommentiert und moderiert er Fußball- und Basketballspiele. Gemeinsam mit Expert:innen wie dem österreichischen Nationaltrainer Ralf Rangnick moderiert er die DAZN-Show „Decoded“. Seit Ende Oktober 2022 steht er auch für das Format „Inside Football“ vor der Kamera, eine Eigenproduktion des Streaming-Portals zu Finanzen im Fußball. Zusammen mit Sportmoderator und -kommentator Benni Zander ist Schlüter außerdem im Podcast „Kicker Meets DAZN“ zu hören.

DAZN als formbares Start-up

Für Schlüter war der Einstieg bei DAZN ein Glücksgriff: „2016 fiel es mir gar nicht so leicht, weil ich die Freiberuflichkeit eigentlich immer super fand. Doch ich habe viele Vorgespräche geführt, sodass ich dieses ‚Ding mit den vier Buchstaben‘ spüren konnte. Da habe ich schon gewusst, dass das das Beste ist, was mir jetzt passieren kann. Und ich habe es auch nicht bereut.“ Zu Anfang habe die Arbeit bei DAZN noch Start-up-Charakter gehabt, es sei vieles formbar gewesen. „Gewisse Gleise waren schon gelegt. Es war klar, dass wir bestimmte Übertragungsrechte haben, die besonders für den Start enorm wichtig waren. Aber wie der Zug auf diesen Gleisen aussieht? Den hatten wir noch zu bauen.“

Die Firmenzentrale der 2016 als Perform Group firmierenden Gesellschaft liegt in Großbritannien, doch für Schlüter und seine Kolleg:innen war deren Einfluss kaum spürbar. „Die englischen Chefs haben von Anfang an gesagt: Niemand kennt den Markt in Deutschland so gut wie ihr. Und wir geben euch das Vertrauen.“ Schlüter, damals als „Lead In Vision“ angestellt – also Führungskraft für alle, die vor der Kamera stehen – arbeitete daran, wie DAZN eigentlich auftreten soll. „Das war für mich ein Riesending, das als Festangestellter mitgestalten zu dürfen und zu fragen: Wie senden wir eigentlich? Das fängt bei Fragen an, ob wir die Zuschauer:innen duzen oder siezen, welche Klamotten wir anziehen und – was noch viel wichtiger ist – was unsere Schwerpunkte sind.“

»Unser Anspruch ist, den Zuschauer:innen etwas über Fußball zu erzählen, das sie noch nicht wussten. Und das nicht in einer Professorensprache, sondern so, wie es ein Kumpel in der Kneipe machen würde.«

Alexander Schlüter / Foto: Dirk Bruniecki

DAZN steht für eine besondere inhaltliche Tiefe, erklärt der 37-Jährige. „In diesem Waggon, in dem die Leute sitzen, die vor der Kamera stehen, hängen nicht die Poster vom oberkörperfreien Mats Hummels und Co., sondern die Taktikskizze, wie Mario Götze das entscheidende Tor im WM-Finale 2014 gegen Argentinien geschossen hat.“ Eine seiner Aufgaben war die Erstellung eines Kommentatoren-Guides. Darin wurden die zentralen Punkte festgehalten, die DAZN von anderen Sportübertragungen abgrenzen. Definiert waren der Klang der Ansprache, der Stil des Kommentierens und die inhaltliche Herangehensweise: „Unser Anspruch ist, den Zuschauer:innen etwas über Fußball zu erzählen, was sie noch nicht wussten. Und das nicht in einer Professorensprache, sondern so, wie es ein Kumpel in der Kneipe machen würde, der sich zufälligerweise stark mit Fußball auseinandersetzt. Das ist etwas, worauf wir stolz sein können, weil sich das durchgesetzt hat und wir dem bis heute treu geblieben sind.“

Die Zielgruppe im Blick

Der Live-Start von DAZN in Deutschland war am 10. August 2016. Eine arbeitsintensive Zeit für Schlüter und seine Kolleg:innen: „Wir hatten schon einen Monat lang den Live-Betrieb simuliert, ohne damit rauszugehen. Deswegen hat sich der Start gar nicht so anders angefühlt. Es war eher wie ein Rauschzustand.“ Und dieser hält bis heute an – zumindest bis zum Ende der Saison und den wichtigen Spielen in internationalen Wettbewerben. Danach heißt es durchatmen. Das ist auch wichtig für die Zuschauer:innen, sagt Schlüter: „Die Fans wollen das Spiel genießen und es würde sich für sie komisch anfühlen, wenn der Typ vor der Kamera gestresst ist.“

Beim Sendekonzept versucht DAZN, weitere Zielgruppen ins Visier zu nehmen. Das passiert nicht nur durch das wachsende Angebot von Live-Übertragungen – zuletzt sicherte sich DAZN die Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga der Frauen –, sondern auch durch Experimente in Sachen Eigenproduktionen. Zum Beispiel mit der Unterhaltungsshow „Tippitaka“ mit Comedian Abdelkarim, die allerdings nach zwei Monaten auf Eis gelegt wurde. Schlüter erklärt: „Es ist ganz logisch, mal Sachen auszuprobieren, um andere Zielgruppen mit ins Boot zu holen. Auch aus inhaltlicher Sicht: Der Mensch ist ambivalent und dann dürfen wir ihn auch mal mit einer Show wie ‚Decoded’ etwas mehr fordern.“ Oder lockerer unterhalten, was mit „Tippitaka“ versucht wurde: „Aber das ist ein Feld, in dem nicht jeder Schuss sitzt. Da lernen wir in der aktuellen Phase, was funktioniert und was nicht.“ DAZN befinde sich nach den vergangenen sechs Jahren an einem Punkt der Reflexion, an dem man zurückschauen und analysieren müsse, was die Zuschauer:innen schätzen. Aber auch, wo es noch Potenzial gibt. „Der Erfolg der nächsten Jahre wird darauf basieren, beides zu berücksichtigen“, so der Moderator.

Foto: Dirk Bruniecki

Charaktere schaffen Wiedererkennungswert und Identifikation

Eine der Besonderheiten von DAZN ist das junge Team. Mehr Sendungen heißt auch mehr Personalbedarf – und passende Kandidat:innen müssen erstmal gefunden werden. Dafür hatte der Streamingdienst die Werbetrommel gerührt und Spots mit dem Aufruf zur Bewerbung als Moderator:in und Kommentator:in in die eigenen Werbefenster geschaltet. Hat es die Kampagne gebraucht, weil die Leute nicht mehr vor die Kamera wollen? Im Gegenteil, erklärt Schlüter: „Das Casting hat gezeigt, dass da draußen eine Menge Leute sind, die was draufhaben.“

DAZN will mit dem eigenen Stil eine Verbindung zu den Zuschauer:innen aufbauen. „Im besten Fall sehen sie den Schlüter und wissen, dass die Moderation in eine Richtung geht, die sie gut finden. Es gibt auch Leute, die sich fragen, warum ich da schon wieder stehe. Auch das muss ich in Kauf nehmen. Aber wenn das mit mir im Großen und Ganzen nicht aufgehen würde, hätte mich schon jemand aus dem Zug geschmissen.“

Letztlich verkörpern die Moderator:innen und Kommentator:innen das, was sich DAZN auf die Fahne schreibt: die Kombination aus sich-treu-bleiben und Neues versuchen. Es gehe nicht um eine Person, die DAZN als Marke nach außen repräsentiert. Sondern um einen gemeinsamen Stil bei unterschiedlichen Persönlichkeiten. „Einerseits wissen die Zuschauer:innen, wofür Alex Schlüter steht, andererseits bringt zum Beispiel Laura Wontorra einen ganz neuen Stil mit ein.“

Die richtige Balance finden

Für seine Zukunft als Sportjournalist hat Schlüter eine Vision: „Im Sport auch über Dinge reden, die weniger mit dem Sport selbst zu tun haben. Ich glaube, es ist der heilige Gral, eine Fußball-Show im unterhaltenden Sinne zu machen, also über Sport reden und dabei locker unterhaltend sein. Bis auf ganz wenige Ausnahmen hat das noch niemand geschafft.“

Was ihm persönlich im Sportjournalismus manchmal zu kurz kommt? „Es werden zu wenige ‚Wie-Fragen’ gestellt.“ Zum Beispiel ist es im American Football üblich, dass Kommentator:innen erklären, wie genau ein bestimmter Spielzug zu einem Erfolg führen konnte. „Im Fußball gibt es da noch eine Menge Potenzial. Ich selbst stoße immer wieder auf Neues, das ich verstehen muss und glaube daran, dass man auch die Zuschauer:innen etwas mehr fordern kann.“ Für Schlüter hat DAZN dahingehend eine gute Mischung gefunden, und das müsse auch das Ziel sein: „Irgendwann kommt der Endbahnhof und dann sollen die Fahrgäste sagen, dass sie die Zeit vergessen haben, weil die Fahrt so schön war. Das ist nicht leicht zu erreichen, aber nur so sollte man an jede Produktion herangehen. Und daraus ziehe ich auch meine persönliche Motivation.“

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