100. Geburtstag: Sophie Scholl in Farbe und Echtzeit

Von Julia Hägele

Am 9. Mai 2021 wäre die Studentin und Widerstandskämpferin Sophie Scholl 100 Jahre alt geworden. SWR und BR haben das Instagram-Projekt @ichbinsophiescholl realisiert, mit dem Zuschauer:innen die letzten zehn Monate im Leben der 21-jährigen Widerstandskämpferin, gespielt von Luna Wedler, miterleben können. Lydia Leipert hat das Projekt beim BR redaktionell betreut.

Frau Leipert, das Instagram-Projekt @ichbinsophiescholl von SWR und BR will Geschichte erlebbar und vor allem für ein jüngeres Publikum lebendig machen – haben Sie viele kritische Briefe von Geschichtsprofessor:innen bekommen?

Lydia Leipert: Überhaupt nicht. Tatsächlich haben wir von Anfang an vor allem positive Rückmeldungen bekommen zu dieser neuen Art, Geschichte lebendig zu machen. Und um die historische Korrektheit sicherzustellen, konnten wir auch die Historikerinnen Barbara Ellermeier und Maren Gottschalk gewinnen, das Projekt zu begleiten. Wir lesen auch jetzt – wo das Projekt läuft – viele Kommentare von Geschichtslehrer:innen, die gerne aufs Material zugreifen. Uns freut deshalb sehr, dass ein Teil unserer Inhalte auch auf „mebis“, der Schulplattform des Bayerischen Kultusministeriums, zu finden sein wird und auch Unterrichtseinheiten darum gebaut werden. So findet Sophie Scholl in Farbe und Echtzeit ihren Weg in die Klassenzimmer.

Inwiefern ist das Projekt wegweisend für die gesamte Digitalstrategie der Öffentlich-Rechtlichen?

Leipert: Wir wollen natürlich alle Menschen mit unseren Angeboten erreichen; also auch die, die kein klassisches lineares Fernsehen mehr schauen. Und wenn man hochwertige und informative Inhalte für junge Menschen produzieren möchte, muss das somit auch auf Social Media – in unserem Fall Instagram – passieren.

Lydia Leipert hat das Instagram-Projekt @ichbinsophiescholl beim BR redaktionell begleitet / Foto: BR, Markus Konvalin

Welche Herausforderungen hat das neue Format mit sich gebracht?

Leipert: Eine wirkliche Herausforderung war die Produktion. Denn wir mussten das gesamte Bewegtbildmaterial – alles im Hochformat – vorab produzieren und spielen es jetzt zehn Monate lang aus. Also eigentlich erstmal wenig Insta-typisch. Das liegt einfach daran, dass wir auf Spielfilmniveau gedreht haben und das geht eben in historischen Kostümen, Maske und eingerichteten Locations nur in einem bestimmten Drehzeitraum. Richtig spannend war auch die Bildgestaltung: Denn Luna Wedler, die Sophie Scholl spielt, hat zum großen Teil die Kamera selbst gehalten beim Spielen – sie war also Hauptdarstellerin und Kamerafrau in einem. Nur so konnte ein echter authentischer Selfie-Look erzeugt werden.

Anlass war Sophie Scholls 100. Geburtstag am 9. Mai 2021. Normalerweise gibt es zu solch einem Jubiläum Veranstaltungen und Medienberichte, die schnell wieder verpuffen. Denken Sie, dass das Interesse am Account @ichbinsophiescholl weiterhin wachsen wird?

Leipert: Das hoffen wir natürlich sehr. Sophie Scholl eignet sich aber mit ihrer Geschichte besonders als Protagonistin: Sie über zehn Monate lang zu begleiten, wie sie langsam als Studentin in der Großstadt München ankommt und dann in den Widerstand geht. Wie sie zwischen Liebeskummer und Wut über die diktatorische Struktur beschließt, mitzumachen bei der Weißen Rose. Uns Macher:innen hat es sehr viel Spaß gemacht, die Geschichte dieser modernen und mutigen junge Frau zu konzipieren in der Hoffnung, dass die User:innen dann genau so viel Spaß damit haben.

Das Projekt lässt die Follower:innen an den letzten zehn Monaten von Sophie Scholls Leben teilhaben. Wird @ichbinsophiescholl auch aus ihrer Haft posten, kurz vor ihrer Hinrichtung?

Leipert: Auch wenn das historische Ende von Sophie Scholl bekannt ist, möchte ich hier nicht zu viel verraten. So viel sei gesagt: Wir haben im Team lange darüber gesprochen und uns entschlossen, der Haltung des Kanals treu zu bleiben, dass Sophie selbst aus ihrer Perspektive radikal subjektiv erzählt. Was denken Sie, wie lange hätte Sophie gefilmt nach ihrer Verhaftung? Was wäre mit ihrem Handy geschehen?

Ist der Bayerische Rundfunk nun inspiriert, vergleichbar aufwändige „Social only“-Projekte anzustoßen? Können Sie uns hier schon etwas verraten?

Leipert: Der BR hat ja im digitalen Bereich schon viele erfolgreiche Projekte an den Start gebracht. Ich denke da an preisgekrönte Digitalproduktionen wie „Die Befreiung“ „Ich, Eisner!“, „Do Not Track“ oder „Homo Digitalis“. Und natürlich haben wir weiter den Ansporn unseren Zuschauer:innen und User:innen Information und Unterhaltung zu liefern – egal über welchen Ausspielweg.

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